Über Kinder und Kinderkrankheiten

Energie Qi im kindlichen Körper

„Cang-fu jiao-shu chi ji-chu tao“, tönte es im Chor vor tausend Jahren in den Lehrsälen der chinesischen Kinderärzte. Damit prägten sie sich die grundlegende Lehre von der Andersartigkeit der kindlichen Körperfunktionen ein, die vor allem bei der Behandlung von Krankheiten besondere Aufmerksamkeit und Kunstfertigkeit erfordert. Was bedeutet nun diese magische Formel? In der Übersetzung lautet sie etwa so: die (kindlichen) Organe sind zerbrechlich und weich, Qi kommt leicht vom seinem Weg ab. Es ist eine Warnung, die auf die Zerbrechlichkeit und Verletzlichkeit des kindlichen Patienten verweist, dessen inneres Gleichgewicht auch von kleinen Abweichungen gestört wird. Als Beispiel nehmen wir einmal die Aufnahme von Flüssigkeiten. Ein Erwachsener hält ohne größere Probleme eine mehrstündige Absenz von Flüssigkeiten aus, ohne dass es für ihn ein bedeutendes gesundheitliches Risiko darstellen würde. Abgesehen von einer gewissen Nervosität, die daher rührt, dass er seine geliebte Tasse Kaffee oder seine Cola schon lange nicht mehr hatte. Nicht aber so bei Kindern. Gehen wir mit ihnen in die Stadt zum Einkaufen und verspäten uns nur um eine Stunde mit dem Essen oder dem Tee, wird das Kind quengelig, aufgebracht und es ist keine normale Kommunikation mehr möglich. Dann aber reicht es auch wieder aus, eine Kleinigkeit des verwehrten Essens oder Trinkens zu geben, und es vergisst augenblicklich alles Schlechte und kann über Stunden fröhlich sein. Die Toleranz der verschiedenen Abweichungen ist bei Kindern eng. Je jünger sie sind, umso enger und um so „sauberer“ muss ihr Umfeld von Abweichungen sein. Die Aktivität des Kindes hängt mit der Quantität an Qi zusammen. Hat es mehr, ist es quirliger, hat es weniger, ist es ruhiger. Ein Abweichen von den gewohnten Gleisen bedeutet eine Störung der Funktion, also eine Krankheit. Bei Kindern genügt wenig, um eine Krankheit entstehen zu lassen. „Lässt du die Wurzeln tief greifen, warum solltest du dann fürchten, der Stamm würde nicht gerade wachsen und den Himmel streifen,“ begründeten die alten Chinesen die Bedeutung, die der Legung eines guten Fundaments für das menschliche Leben zukommt, also einer guten Erziehung und Ernährung der Kinder.

Geburt

Für die Gesundheit des kindlichen Organismus und dessen Abwehrfähigkeit die aktuelle Kondition der Eltern zur Zeit der Befruchtung verantwortlich ist, wobei ein gewisses Maß an Zufall hinzukommt, der die Karten gut oder wenig- er gut mischt. Das Kind kommt als leeres und mehr oder weniger zerbrechliches Gefäß auf die Welt, das sich ständig füllt und seinen Inhalt vergrößert. Was bereits festgelegt und relativ unveränderlich bei der Geburt ist, ist die Festigkeit und Qualität des Gefäßmaterials. Nach den Lehren der chinesischen Medizin ist das von den Eltern und dem „Himmel“ gewonnene Potenzial in den Nieren gespeichert. Die Nieren werden als Wurzel der gesamten Energie angesehen und haben einen kardinalen Einfluss auf die Qualität der Gesundheit und die Lebenslänge. Aus unserer Sicht haben sie auch eine bedeutende Beziehung zum Immunsystem. Kehren wir noch einmal zu dem Beispiel mit dem Gefäß zurück, das sich nach der Geburt mit Essen, dem Umfeld, der Atmosphäre, der Pflege und Aufmerksamkeit der Eltern und ihrer Nachahmung füllt, kurz gesagt mit allem, was erreichbar ist. Die Kommunikation und Verbindung mit der Welt, die es umgibt, verläuft nach Ansicht der chinesischen Medizin über vier Pforten bzw. über vier Sinnesorgane. Für den Kör- per ist wichtig, was über Mund und Nase aufgenommen wird, für die geistige Entwicklung das, was es über die Augen und Ohren empfängt. Aus präventiven Gründen wurde es wichtig, jedes dieser Kommunikationstore mit einem entsprechenden Filter zu versehen.

Pforte Mund

Die chinesischen Ärzte wiesen darauf hin, dass das Verdauungssystem des Kindes sehr zerbrechlich und verletzlich ist, da es nach der Geburt am meisten beansprucht wird. In der chinesischen Lehre wird die Verdauung von der Milz bewirkt, welche die Umwandlung der Nahrung in Energie Qi regelt und die Verantwortung übernimmt. Zusammen mit der Lunge übernimmt sie die Hauptfunktion bei der Bildung der Energie Qi. Bis zur Geburt wurde das Kind von der Mutter mit der vorbereiteten Essenz Jing ernährt, deren Verarbeitung nicht übermäßig viel Kraft kostete. Die Umwandlung wirklicher Nahrungsmittel ist hingegen ein sehr aktiver Prozess, energetisch sehr anspruchsvoll und auch deren Zusammensetzung ist entscheidend. Das Verdauungssystem muss sich mit der Zeit mit einer ganzen Reihe neuer und bis dahin unbekannter, in den Nahrungsmitteln enthaltener Stoffe, bekannt machen. Und jeder fordert eine andere Art von Enzymen, bzw. aus Sicht der chinesischen Medizin eine andere Ausgabe der Energie Qi. Daraus geht hervor, dass die schwierigste Phase der Übergang vom Stillen zur normalen Nahrung ist. Das Wörtchen normal sollte in Anführungszeichen stehen, denn jeder versteht darunter etwas anderes, das für ihn aber genau festgelegt ist. Nicht selten treffe ich in meiner Praxis auf Kinder, die an Ekzemen leiden und stelle dann fest, dass sie lange vor ihrem ersten Geburtstag mit Wurst und anderen guten Leckerbissen gefüttert wurden, die gesundheitlich gesehen so gar nichts mit „Gutem“ zu tun haben. In unseren Haushalten fehlt meistens ein klares Bewusst- sein darüber, was gesunde qualitative Nahrungsmittel sind (Näheres im Kapitel über Ernährung). Bei Kindern gehen wir oft noch von dem Slogan unserer Großmütter aus, ein dickes Kind sei auch ein gesundes.

Vom Stillen zur festen Nahrung

Hier werden jetzt einige Grundsätze angeführt, die für den Übergang zur Säuglingsnahrung empfohlen werden. Der Körper benötigt einige Zeit, um sich mit einem neuen Lebensmittel bekannt zu machen. Des- halb wird empfohlen, neue Lebensmittel nur langsam einzuführen, also eines nach dem anderen. So fangen wir zum Beispiel mit einem Reisbrei an, den wir entweder aus lange vorher eingeweichtem Reis kochen oder aber aus Reisflocken gewinnen. Nach einer Woche geben wir dann zum Beispiel Möhren dazu und in der darauffolgenden Woche Erbsen. Alles am Anfang in kleinen Mengen, die dann täglich etwas gesteigert wer- den. Ein idealer Brei würde dann eine Getreidesorte, eine Gemüsesorte und eine Hülsenfruchtsorte umfassen. Von den Getreidesorten wählen wir anfangs Reis oder Hirse, später Haferflocken und wenn das alles gut verdaut wird, nehmen wir den Kindergrieß dazu, der bereits Gluten enthält. Wir brauchen keine Eile zu haben, das Kind an weitere neue Lebensmittel zu gewöhnen. Der Reis wird vorher eingeweicht, die Hirse ge- spült. Sogenannte Instant-Breie verwenden wir nur ausnahmsweise.

Bei den Gemüsesorten wählen wir sowohl Wurzel- als auch Blattgemüse. Normalerweise wird mit Möhre oder Wirsing begonnen. Als weitere sind Blumenkohl, Kohlrabi, Brokkoli, rote Rüben günstig. Die stark aromatischen Sorten (Petersilie, Sellerie) sind zwar gesund, werden von Kindern aber oft abgelehnt, und so lassen wir sie anfangs beiseite. Passend ist auch der Kürbis, vor allem der japanische Kürbis Hokkaido, der bei uns allerdings schwer zu bekommen ist.

Bei den Hülsenfrüchten ist es vor allem wichtig, sie vorher lange einzuweichen, d.h. am besten 24 Stunden. Dadurch entwickelt sich in dem Samen ein „nährendes“ Enzym. Das heißt, es beginnt sich daraus ein für den Organismus vorteilhaftes Enzym zu bilden, das in der Ernährung sehr wichtig ist. Sie werden lange gekocht, manchmal müssen sie auch vor der Zugabe von Getreide und Gemüse vorgekocht werden. Dadurch wird ihre blähende Wirkung gemildert.

Wir wählen zwischen Linsen, Soja, Bohnen und Erbsen. Bei den Bohnenkernen gilt, dass sie um so besser verdaulich und um so weniger blähend sind, je kleiner sie sind. Diese Regel mutet etwas seltsam an, ist aber genauestens in der chinesischen Medizin und in der volkstümlichen Tradition seit Jahrtausenden verankert.

Kartoffeln geben wir den Kindern nicht allzu früh, ebenso wie Kuhmilch, die sich in China keiner allzu großen Beliebtheit erfreut. Sie wird als „verschleimend“ und dem kindlichen Körper fremd angesehen. Sehr bekannt ist hingegen die Beziehung zwischen sich wiederholenden Atemwegsentzündungen und einem über- mäßigen Genuss von Milchprodukten. Ähnliche Verbindungen werden auch bei einigen Ekzemen und Verdauungsproblemen, verbunden mit Durchfall, beobachtet. In Fachkreisen wird diese Problematik viel diskutiert, da in unseren Breiten ein Aufruf nach Einschränkung von Milch und Milchprodukten äußerst revolutionär klingt. Deshalb führen wir ein Beispiel aus der eigenen Praxis an – und geben unseren Kindern erst nach dem zweiten Lebensjahr Kuhmilch. Bis dahin verwenden wir Soja-Ersatzprodukte, die als Ersatz für Muttermilch genehmigt wurden. Man kann auch Schafs- oder Kokosmilch verwenden, die in Reformhäusern erhältlich ist.

Ein weiteres Tabu für Kinder unter zwei Jahren stellt das Ei dar, vor allem das Eigelb, das als sehr schwer verdaulich gilt. Von diesem Verbot ausgenommen wurden in China nur die Wachteleier.

Ein typisches Ernährungslaster unserer Zeit ist die Gabe von Zucker und Süßigkeiten. Zucker ist in den Augen der chinesischen Medizin tote Energie. Er trägt nicht zum Wachstum und zur gesunden Bildung der Energie Qi bei. Er ist nur wie eine Windböe für das Feuer, das sich dadurch vorübergehend mehr entzündet (und mehr Brennstoff verbraucht als nötig). Zusammen mit Milchprodukten und gebratenen Speisen stellt er eine der größten Quellen von Ablagerungen unreiner Stoffe im Organismus dar ( siehe Kapitel über Ernährung).

Pforte Nase

Durch die Nase dringt nicht aufbereitete feinmaterige Energie in den Organismus ein, die sich mit der aus der Nahrung destillierten Energie zur Bildung des Körper-Qi vermischt. Deren Qualität ist ebenfalls grundlegend an der gesamten Gesundheit beteiligt, vor allem aber am Zustand des Atemwegssystems, welches den ersten Schlag abbekommt.

Je mehr das Umfeld, in dem wir atmen, verunreinigt ist, desto mehr verliert seine „Energie“ ihre Reinheit und feinmaterigen Charakter. Die Chinesen sagen, dass sich die Energie der Luft trübt. Ähnlich wie durch ungeeignete Ernährung kann der Organismus auch durch unreine Luft belastet werden. Eine übermäßige Verschleimung ist ein deutliches Zeichen für das eine wie das andere.

Die eingeatmete Luft nehmen wir als Halbprodukt zur Produktion der eigentlichen Energie Qi des menschlichen Organismus an. Wir verstehen dann auch, warum es so wohltuend ist, ein Kind aus einer smogverseuchten Großstadt für einen Monat zur Erholung irgendwo in waldreiche Gebiete zu schicken. Die Energie Qi reinigt sich, heilt und alles Weitere kommt von selbst. Sie ist die Zusammenfassung aller Funktionen und Vorgänge des Körpers und Geistes und hat eine große Selbstheilungskraft. Natürlich nur, solange sie selbst von entsprechender Qualität ist.

Empfehlung

Zur Verbesserung der eingeatmeten Luftqualität empfehle ich häufige Ausflüge an die „frische Luft“, vor allem wenn Sie in einer Stadt mit doch relativ schlechter Luft wohnen, sowie die Beachtung der Luftfeuchtigkeit in den Räumen während der Heizperiode.

Ein weiterer Risikofaktor für das Tor der Nase ist der sogenannte schädliche Wind. Mit diesem Termin wurde im alten China das bezeichnet, was heute unter dem Begriff verbreitete Infektion oder Epidemie bekannt ist. Weil die Chinesen natürlich die verschiedene Infektionen hervorrufenden Mikroorganismen nicht kannten, verwendeten sie diesen zusammenfassenden Begriff. Wie wir bereits wissen, sagt eine der Redewendungen, dass der Wind die Ursache von Hunderten von Krankheiten ist. Hundert hatte in China einen übertragenen Sinn und bedeutete viel. In Abhängigkeit vom Charakter des Windes entwickelte sich eine bestimmte Art der Erkrankung. Ein solcher Wind konnte auf weiten Flächen auftreten, wie das bei Epidemien ist, oder auch nur an bestimmten Orten. Wie zum Beispiel, wenn an einer Schule die Hälfte der Kinder an einer Infektion der oberen Luftwege erkrankt. Nach der chinesischen Medizin nistete sich hier der Wind ein, der die Bahn und das Organ der Lunge befiel. Woanders erkranken die Kinder an Scharlach. Das wiederum bezeichnet einen schädlichen heißen Wind, der nach dem Eindringen in den Körper Hitze in Art von rotem Ausschlag und Fieber hervorruft. Auf diese Weise wird immer die Charakteristik des schädlichen Verursachers gesucht, um die richtige Behandlung einleiten zu können. Die Prävention im zweiten Fall ist wesentlich schwieriger. Die einzige Prävention überhaupt ist ein guter Gesundheitszustand des Kindes, das dann nicht so leicht jedwedem Wind erliegt. Wir können uns auch an die Redewendung halten: „Ziehe den Tiger nicht am Schwanz“, was bedeutet, dass wir unser Kind nicht zu einer Zeit in diese Einrichtung schicken, in der die Hälfte der Kinder erkrankt und unseres noch widerstandsfähig ist.

Pforte der Augen und Ohren

Diese beiden Pforten fasse ich zusammen, da sie sehr eng zusammenhängen.  Sehen und Hören beteiligen sich Hand in Hand an der mentalen Entwicklung des Kindes. Der Zustand der körperlichen Gesundheit hängt davon ab, was der Mensch isst und atmet. Die geistige Gesundheit entspricht vor allem dem, was er sieht und hört. Bei Kindern gilt diese Regel doppelt, da das Kind anfangs eine unbeschriebene Tafel ist. Seine Ansichten und Reaktionsweisen bildet es sich erst aufgrund dessen, was es sieht und hört.

Deshalb seien wir vorsichtig in Situationen, bei denen auch unsere Kinder Teilnehmer des Geschehens sind. Aufmerksamkeit sollten wir vor allem den Märchen der heutigen Zeit wie Pokemon widmen, der alle fangen muss – in Papierwesen, Lebensmitteln, Spielzeugläden, und das um jeden Preis. Es ist nicht schlecht, einmal nachzusehen, was die Kinder bereits zwei Stunden so gefangen nimmt, dass man nichts mehr von ihnen hört. Obwohl ich Verfechter der entfernten chinesischen Medizin bin, würde ich in diesem Fall empfehlen, sich an die gute alte Tradition zu halten, bei der in den Märchen zuletzt immer das Gute gewinnt und das Böse, auch wenn es anfangs die Oberhand hatte, zuletzt doch gebührend bestraft wird. Diese Information kann ein gutes Beispiel fürs Leben sein.

All diese Ratschläge und Empfehlungen sind eben dieser Filter, der sicherstellen soll, dass das, was durch die vier Pforten in den kindlichen Organismus eindringt, ihm von Vorteil ist und nicht schadet. Wenn Sie der Anblick eines gesunden und aktiven Kindes entschädigt, so glauben Sie mir, dass sich diese Bemühung aus- zahlen wird.

Yin, Yang und Qi in der Praxis

Nach Ansicht der chinesischen Medizin ist ein Kind die Verkörperung von Yang. Es ist lebendig, aktiv, unstet, kann sich nicht längere Zeit auf etwas konzentrieren. Dieser Überhang an Yang ist eine wichtige Voraussetzung dafür, dass das Kind es schafft, alles anzuschauen, anzufassen, zu schmecken, kurz zu lernen. Diese Tatsache hat nur einen Haken, den man sich bewusst machen sollte. Yang bedeutet Aktivität, Leben, aber auch Fieber, Entzündung und Gereiztheit. Und gerade Fieber und Entzündungen sind die häufigsten Erkrankungsbilder bei Kindern. In den Augen der chinesischen Medizin ist das nichts anormales, alles baut aufeinander auf und hat seine innere Logik. Je unsteter, lebendiger das Kind ist, desto größer ist die Neigung zu hohem Fieber und stürmischen Infektionsverläufen, wie zum Beispiel Mittelohrentzündung, Laryngitis und Angina. Es muss sich nicht um eine Schwäche des Immunsystems handeln, sondern darum, dass wenn das Kind etwas einfängt, dann ordentlich. Hier empfiehlt es sich, auf eine geregelte Ernährung zu achten und alle stimulierenden, reizenden Speisen, wie zum Beispiel Gewürze, Konservierungsstoffe und Süßigkeiten, wegzulassen und dafür eine ordentliche Portion Gemüse in den Speiseplan aufzunehmen. Ich behaupte nicht, dass Ihnen Ihr Kind dafür dankbar sein wird, aber lassen Sie sich nicht verwirren. Man muss das Kind ja auch (gegen seinen Willen) rechtzeitig ins Bett schicken, denn während des Schlafes kommt es zur Regenerierung von Yin, wovon bei den kleinen Zwergen niemals genug vorhanden ist. In der chinesischen Medizin wurde eine Menge von Kräuterrezepturen zur Verbesserung des kindlichen Organismus ausgearbeitet, von denen die geeignetste die Mischung Behendigkeit des Wiesenskorpions ist, die noch weiter beschrie- ben wird. Weist ein kindlicher Organismus einen zu großen Mangel an Yin mit einem Yang-Überhang auf, so gehen wir von vier Ursachen aus. Dieser Zustand kann sowohl angeboren sein, als sich auch aufgrund zu starker psychischer oder physischer Belastung des Kindes entwickeln. Die dritte Möglichkeit sind wiederholte fieberhafte Erkrankungen, bei denen nach der chinesischen Medizin die Yin-Vorräte des Organismus „verbrannt“ werden, und als vierte Ursache kommt eine ungünstige Zusammenstellung der Ernährung in Frage.

Ein weiteres sehr häufiges Extrem ist der Mangelzustand der sog. Abwehrenergie Qi, was anfangs widersprüchlich erscheint. Dieser Zustand ist jedoch häufig nur die Folge der vorhergehenden Situation, bei dem ein bislang gesundes Kind aus irgendwelchen Gründen wiederholt erkrankt und eventuell auch mehrmals mit Antibiotika behandelt wird. Auf einmal ändert sich sein Aussehen und Verhalten, es wird blass, gedeiht nicht, hat keinen Appetit, ist sehr empfindlich auf Kälte und Durchzug, fängt jede Infektion ein usw. Dieser Zustand entspricht der Erschöpfung der Energie Qi. Der Kampf gegen die Krankheit bedeutet nach chinesischer Sicht den Wettkampf der eigenen guten Energie Qi gegen die äußere, schädliche Energie. Ein solcher Wettkampf kostet viel Kraft (also wiederum Energie) und der Organismus ist dann nicht fähig, diese in der Rekonvaleszenz entsprechend aufzufüllen, zum Beispiel weil die Verdauung durch die Antibiotika-Behandlung gestört ist. Die Verdauung wird aus chinesischer Sicht von der Milz repräsentiert, die sehr empfindlich auf fremde, chemische Stoffe, wie zum Beispiel Antibiotika, reagiert. Die chinesische Betrachtung der Antibiotikawirkung ist folgende: In Anbetracht dessen, dass es zur Behandlung von Fieber und Entzündungen eingesetzt wird, also Auswirkung eines übermäßigen Yang, muss es von seinem Charakter her kalt sein. Zusammen mit Medikamenten, die zur Senkung von Fieber angewendet werden, wie zum Beispiel Paracetamol- und Acetylsalicylsäure-Präparate (Aspirin usw.), gehört das Antibiotikum zu den kältesten Medikamenten. Das Organ, das am empfindlichsten auf kalte Lebensmittel oder Medikamente reagiert, ist aber genau die Milz. Ist sie „verkältet“, treten krampfartige Bauchschmerzen, Durchfall, Appetitlosigkeit, Blässe im Gesicht und Müdigkeit auf. Kurz gesagt, kommt es zur Störung der Umwandlung von Nahrung in Energie. In diesem Fall, nach einer Antibiotika-Kur also, wäre es günstig, die Milz mit der Kräutermischung Aufräumen des Getreidespeichers wieder zu stärken. Ein unabtrennbarer Teil der Energie Qi ist auch die schon erwähnte Abwehrenergie, über die im Kapitel über Infektionskrankheiten mehr geschrieben steht. Ein allgemeiner Energiemangel bewirkt natürlich auch einen Mangel im Detail.

Aus unserer Sicht kommt der Ausdruck Abwehrenergie dem allgemeinen Ausdruck des Immunsystems am nächsten. Insbesondere die moderne Ansicht über das Immunsystem setzt dieses in enge Verbindung mit der Psyche, der Verdauung und dem Hormonsystem. Hier lässt sich mit Freude eine Annäherung der beiden gesundheitswissenschaftlichen Standpunkte, des alten chinesischen und des modernen medizinischen, fest- stellen. Ein Mangel der Abwehrfähigkeit verringert die gesamte Widerstandsfähigkeit und ruft eine Neigung zu Infektionserkrankungen und Allergien hervor. In der heutigen Zeit geht es mit der Qualität der Abwehrenergie bei sehr vielen Kindern leider den Berg hinunter. Eine der Ursachen ist die allgemeine Verschlechterung des Gesundheitszustandes der Bevölkerung, bei dem die Kinder bereits von den Eltern die Neigung zu Allergien und anderen Immunstörungen vererbt bekommen. Zur zweiten, noch ernster zu nehmenden Ursache gehören aus chinesischer Sicht die schlechten Ernährungsgewohnheiten und dabei vor allem der übermäßige Verzehr von Süßigkeiten. Eine weitere Ursache kann auch die Einnahme von übermäßig vielen chemischen Medikamenten sein, insbesondere Antibiotika und Hormone, die oft recht wirkungslos und damit über- flüssigerweise gegeben werden.

Wie kann man also die Abwehrenergie verbessern und stärken? Vor allem durch Abhärtung und eventuell auch durch Sauna. Über beides können Sie im Kapitel über Infektionskrankheiten nachlesen. Hierbei fordern wir nur zur Vorsicht und gewaltlosen Abhärtung auf, insbesondere bei Kindern. Wir achten darauf, das Kind nicht zu überfordern und halten regelmäßige Erholungszeiten ein. Bei den „Diätmaßnahmen“ achten wir hierbei auf nahrhafte Speisen mit einem erhöhten Anteil an Getreide und weißem Fleisch.

Kräutermischungen für Kinder

Eine gut gewählte Kräuterrezeptur muss die gesamte komplizierte Entwicklung des Mangels verfolgen. Sie sollte nährende Kräuter enthalten, also solche, die das angeborene Defizit ausgleichen. Nach Ansicht der chinesischen Medizin sind das Kräuter, welche die Nieren ernähren, Quelle und Vorratskammer der angeborenen Energie und die Wurzel der Abwehrenergie. Außerdem müssen Kräuter enthalten sein, die den gesamten Zustand des Organismus berücksichtigen. Die letzte Gruppe bilden Kräuter, die eine Beziehung zur Körperoberfläche und ihrer Abwehrenergie besitzen. Diese komplex zusammengestellte Mischung kann Anspruch auf qualitative Behandlung erheben, die nichts dem Zufall überlässt. Die Verbesserung des Organismus wird langfristig anhalten, vorausgesetzt, sie wird nicht durch schlechte Essgewohnheiten wieder zerstört.

Behendigkeit des Wiesenskorpions

Es handelt sich um eine Mischung aus acht Kräutern, von denen die drei, die auch den größten Anteil bilden, die Nieren ernähren. Dadurch wird die Bildung eines festen Fundaments sichergestellt, das zur Verbesserung anderer Funktionen notwendig ist. Zu diesen Kräutern gehört zum Beispiel die frische Rehmanniawurzel oder die Bockdornfrüchte. Bei der Ernährung der Nieren wirken diese Kräuter vor allem auf deren Yin. Die andere Gruppe von Kräutern verbessert die Verdauung und hilft die allgemeine Unruhe und Gereizt- heit zu beherrschen. Hierzu gehören der Kokospilz und andere. Die letzte Gruppe schützt die Oberfläche und Abwehrenergie, zum Beispiel mit den Schizandrafrüchten. Diese Schizandra ist ein hoch geschätztes Heilmittel, das sich langsam auch bei uns durchsetzt. Es gehört in die Reihe der sog. Adaptogene. Das sind Kräuter, welche die Abwehrfähigkeit des Organismus und dessen gesamte Antwort auf äußere Einflüsse wie Stress und ähnliches verbessern. Es wirkt auch präventiv gegen Allergien.

Diese Kräutermischung wird vor allem unsteten bis hyperaktiven Kindern gegeben, die eher heißblütig und meist schlank sind und in der Nacht häufig am Kopf, Hals und der Brust schwitzen. Diese Kinder können sich schlecht konzentrieren, haben oft Probleme in der Schule, die aus der Unkonzentriertheit resultieren, oder auch von bestimmten mentalen gestörten Funktionen – wie zum Beispiel Dyslexie, Dysgraphie und anderen. Diese Kinder müssen nicht zwangsweise anfällig für Infektionskrankheiten sein, aber wenn sie er- kranken, haben sie für gewöhnlich hohes Fieber oder eindeutige Entzündungserscheinungen. Nach Einnahme dieser Kräutermischung gedeihen die Kinder prächtig und wachsen wie die „Pilze nach dem Regen“.

Windbrecher aus Ebenholz

Diese Kräutermischung enthält zwei Kräuter, die insbesondere zur Anregung der Energie Qi mit Rücksicht auf deren Abwehrfähigkeit bestimmt sind. Eines der Heilkräuter ist die Wurzel des Ginkgo, manchmal ersetzt durch die Glockenwindenwurzel, die zu den Kräutern mit dem mächtigsten Einfluss auf die Anregung von Qi hat. Das zweite Kraut ist die Astragaluswurzel, welche die produzierte Energie Richtung Oberfläche schickt. Außerdem vermindert es das Schwitzen und hebt den Zustand des Organismus allgemein.

Diese Mischung wird also Kindern verschrieben, die blass sind, physisch nicht voll leistungsfähig und leicht frösteln. Sie schwitzen häufig nach leichter Anstrengung oder beim Essen. Sie haben keinen großen Appetit, fangen sich aber jede beliebige Infektion ein.

Stilllegung des Gelben Flusses

Die Bezeichnung der Kräutermischung ist zwar für die Behandlung des gelben Ausflusses bei Frauen bestimmt, aber wir lassen uns nicht verwirren. Diese Kräuter entschleimen und trocknen übermäßige Feuchtigkeit im Organismus, und das auch im kindlichen Körper. Diese übermäßige Feuchtigkeit äußert sich auch schon bei Kindern. Es sind die molligen Kinder mit aufgedunsenem Muskelgewebe. Ihr Gesicht ist genauso rund wie ihr Bauch. Sie sind auch physisch faul, gemütlich und ermüden leicht. Sie schwitzen viel und ihr Schweiß zeichnet sich durch säuerlichen Geruch aus. Sie mögen Milch und Milchprodukte gern, lieben Süßigkeiten und gebratene Speisen. Dadurch sammeln sie sich innere Feuchtigkeit und Hitze (den sog. Kompost) an, und es ist ihrem Körper auch anzusehen. Typisch ist dabei ein Belag auf der Zunge, im Gegensatz zu den Kindern, die mit der Behendigkeit des Wiesenskorpions behandelt werden.

Das waren jetzt drei Beispiele von Kräutermischungen. Bei komplizierteren Zuständen wird eine individuelle Vorgehensweise in Abhängigkeit von den vorherrschenden Beschwerden gewählt. Die Prognose für die Heilung ist bei Kindern günstig, da die Kinder aus Sicht der chinesischen Medizin noch nicht so viel Gelegenheit hatten, ihren Zustand durch schlechte physische und psychische Lebensführung nachhaltig zu schädigen, wie dies bei Erwachsenen der Fall ist.

Behandlung der Mutter

Mit einem chinesischen Zitat begann ich dieses Kapitel, mit einem chinesischen will ich es beenden: „chi- mu ji chi-ch“. Was bedeutet das? Manchmal muss die Mutter behandelt werden, um das Kind zu heilen. Das ist dann der Fall, wenn die durchgeführten Maßnahmen nicht ausreichen und der Gesundheitszustand des Kindes noch immer nicht zufriedenstellend ist.

Entweder zeigt das gestillte Kind noch immer zu starke Anzeichen von Yang, von Hitze, die sich zum Beispiel in einem hartnäckigen Ekzem, Ausschlag oder einfach nur Unruhe ausdrücken. Bei einem Gespräch mit der Mutter stellen wir fest, dass ähnliche Zeichen eines Ungleichgewichts mit Überhang von Yang auch bei ihr vorhanden sind. Sie müssen sich nicht auf dieselbe Weise wie beim Kind ausdrücken, sondern zum Beispiel durch Schlaflosigkeit, Migräne, irgendeiner Entzündung oder Nervosität. Nachdem regulierende Maßnahmen durchgeführt wurden, kommt es auch zur Normalisierung beim Kind. Die chinesische Medizin drückt es auf ihre Weise aus, indem sie sagt, die Muttermilch enthielt Yang-Hitze.

Oder aber es handelt sich um Zustände, bei denen eine gehemmte Mutter bei ihrem Kind alle Krankheiten sieht, die sie kennt. Sie verfolgt jedes Pickelchen und jedes Husten und überträgt diese übertriebene Beobachtungsweise auch schrittweise auf das Kind, das ebenfalls gehemmt und ängstlich wird. Diese Situation kommt häufig vor, und man kann sie nicht pauschal verurteilen oder sie verlachen. Häufig entspringen sie einer Angst oder schlechten Erfahrungen und fordern eine echte Analyse und ordentliche Behandlung. Ist das kleine Kind ständig krank und wird die Mutter zusehends unsicherer und ängstlicher, was sich wiederum im Gesundheitszustand des Kindes ausdrückt, wäre es für beide gut, wenn die Mutter die Kräutermischung Beruhigung der gekräuselten Oberfläche einnehmen würde. Es normalisiert sich damit bei ihr die psychische Verfassung und Laune, wodurch es zu einem ausgewogenen Zustand kommt, in dem sie nicht mehr den Verlauf der Krankheiten übermäßig dramatisiert und verschlimmert, weil sie damit dem Gesundungsprozess des Kindes schaden würde. Mit einem kranken Kind sollte man umgehen wie mit einem gesunden, da es sonst das Gefühl der Besonderheit bekommt, was den Gesundungsprozess nur verlängert.